In vielen europäischen Ländern richtet sich der mediale Fokus auf die durch die Omikron-Mutation verursachten steigenden Ansteckungszahlen und die dagegen verordneten Massnahmen. Dass aber auch andere Zahlen steigen, zeigt ein Bericht aus Nord-Mazedonien.
In Strumica, einer Stadt im südöstlichen Teil Nord-Mazedoniens, ist Corona ein omnipräsentes Thema. Dies ist ganz allgemein so, trifft aber noch stärker auf das «Miss Stone»-Zentrum der EMK zu. Denn die Hilfe, die durch die Mitarbeitenden dieses Zentrums geleistet wird, richtet sich primär an alte und gebrechliche Menschen. Um ihnen die nötige Fürsorge anbieten zu können, ist ein grosses Mass an Organisationstalent, besonderen Hygiene-Massnahmen und auch Improvisation gefragt. Leider gehen die steigenden Fallzahlen auch mit einer hohen Todesrate einher – eine Realität, die nicht zuletzt der schlechten medizinischen Versorgung im Land geschuldet ist.
Äusserst belastend sind neben Kälte aber auch die massiv ansteigenden Energie- und Lebensmittelpreise. Sie stellen so manche Menschen vor die Entscheidung, entweder zu heizen oder zu essen. Aber auch das Projekt «Essen auf Rädern» des «Miss Stone»-Zentrums, das seit über 20 Jahren existiert, steht vor einer grossen Herausforderung: Wie können Preiserhöhungen von bis zu 30% bei Grundnahrungsmitteln und von gar 100% bei einzelnen Produkten wie Speiseöl bewältigt werden, ohne die Qualität der Mahlzeiten reduzieren zu müssen? Dass im Herbst durch Einmachen Obst- und Gemüsevorräte angelegt werden konnten – so zum Beispiel 750 kg Weisskraut für die beliebte Mahlzeit Sarma (Krautwickel) – hilft in dieser Situation zwar, vermag die allgemeine Notlage aber nur in einem beschränkten Ausmass zu entschärfen.
Auch in Radovish nimmt die Zahl der Hilfsbedürftigen ständig zu, und eigentlich müsste das dortige Hilfsangebot ausgeweitet werden. Dies ist aber wegen der ausgeschöpften Kapazität der Küche im «Miss Stone»-Zentrum und der fehlenden finanziellen Mittel nicht möglich. So werden von Montag bis Freitag weiterhin jeweils 50 warme Mahlzeiten abgegeben.
Das Hauspflegeprojekt, ein weiterer Arbeitszweig des «Miss Stone»-Zentrums, deckt ein grosses Bedürfnis alter und mobilitätsbehinderter Menschen ab. Da ist zum Beispiel Slobodanka Z., eine 73-jährige Witwe. Ihre beiden Kinder leben woanders und können oder wollen sich nicht um sie kümmern. Als sie vor einigen Monaten schwer stürzte und sich das Fussgelenk brach, war sie wochenlang bettlägerig. Das Hauspflege-Team versuchte dann mit regelmässigen Besuchen, speziellen Übungen und Massage, Slobodanka Z. wieder auf die Beine zu bringen. Mit einer orthopädischen Hilfe ist sie nun in der Lage, das Leben wieder einigermassen selbständig zu meistern. Sie erhielt während dieser schwierigen Zeit auch psychologische Unterstützung, bekommt jetzt über «Essen auf Rädern» regelmässig eine warme Mahlzeit, und sie freut sich immer sehr, wenn sie von Mitarbeitenden des «Miss Stone»-Zentrums besucht wird.
Die Beratungsstelle für Roma-Mädchen in Ohrid, ein weiteres Angebot der Diakonie Nord-Mazedonien, bekam in ihrem Unterwegssein mit Teenagern aus nächster Nähe mit, welch schwere Folgen die Pandemie auf die Psyche und Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen hat. «Die Gesellschaft und das Gesundheitssystem haben völlig versagt, das Sozialamt ist unsichtbar, und bedürftige Kinder und Jugendliche werden ihrem Schicksal überlassen», schreibt Christina Cekov aus Strumica in einem Bericht.
Ob die Menschen sehr alt sind oder noch einen grossen Teil ihres Lebens vor sich haben: Die Verantwortlichen der Projekte setzen sich nach Kräften dafür ein, ihnen Hilfe anzubieten, mit ihnen nötige Schritte zu gehen und ihnen auf diese Weise Zukunftsperspektiven zu eröffnen.
Quelle: Dijakonija Severna Makedonija / Christina Cekov / Urs Schweizer, Assistent des Bischofs
Foto: Martin Konev