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Schalom mit euch!

Vom 13. bis 16. März 2025 trafen sich in der Evangelisch-methodistischen Kirche in Winterthur (Schweiz) rund 85 Delegierte und Gäste aus 15 Ländern zur 20. Tagung der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa.
 
Zwar wurde im Eröffnungsgottesdienst sowie in den Andachten und Bibelarbeiten wiederholt betont, dass der hebräische Ausdruck «Schalom» weit mehr bedeute als die Abwesenheit von Krieg: Ganzheit, beispielsweise, kollektives Wohlergehen oder lebensfördernde Geordnetheit der Welt. Trotzdem wurde immer wieder spürbar, wie sehr die Frage des Friedens – oder vielmehr jene des Nicht-Friedens – die aus sehr unterschiedlichen Situationen nach Winterthur gereisten Delegierten und Gäste beschäftigte.
 
Nicht, dass die Tagung der Zentralkonferenz disharmonisch gewesen wäre – im Gegenteil. Die Stimmung war vielmehr geprägt von einer grossen gegenseitigen Wertschätzung, von ehrlichen, vertrauensvollen und teilweise sehr tiefen Gesprächen, immer wieder auch von einer fröhlichen Leichtigkeit und von der Bereitschaft, einander mit offenen Ohren und einem offenen Herzen zuzuhören.
 
Aber wenn der für die Arbeit in Nordafrika zuständige Superintendent Freddy Nzambe über die schwierige Situation der Christinnen und Christen in Nordafrika berichtete, wenn Pastor Novica Brankov aus Novi Sad einen Einblick in die politisch und sozial sehr angespannte Lage in Serbien gab, wenn die Aufmerksamkeit auf den Krieg in der Ukraine gelenkt wurde – dann wurde schon etwas spürbar von der tiefen Sehnsucht nach Frieden. Was heisst es da konkret, Schalom-Trägerinnen und -Träger zu sein und als Einzelpersonen, als Gemeinden und als ganze Kirche einen hoffnungsvollen Gegenentwurf zu dem zu leben, was an so vielen Orten eine das Leben unterdrückende und gar zerstörende Realität ist?
 
Die «Leitlinien für eine verantwortungsvolle Lebensführung», welche John Wesleys Allgemeine Regeln für die heutige Zeit zu konkretisieren versuchen, haben den Schalom in einem umfassenden Sinn im Blick. Was heisst es, «keinen Schaden anzurichten», «Gutes zu tun» und «sich in den Raum der Gnade Gottes zu stellen»? Die Delegierten nahmen diese Leitlinien an und empfahlen sie zum regen Gebrauch in Hauskreisen und anderen Gruppen in den Gemeinden.
 
Ein öffentlicher Mitwirk-Abend zum Thema «Migration» knüpfte auch an diesen Leitlinien an und bot viel Raum, über geographische und sprachliche Grenzen hinweg einander zuzuhören und eigene Erfahrungen zu teilen. Wie leben wir als Einzelpersonen und Gemeinden Gastfreundschaft, Integration und Inklusion – und worin besteht der Unterschied zwischen diesen drei Begriffen?
 
Als es an der Zentralkonferenz nicht darum ging, Menschen willkommen zu heissen, sondern sie loszulassen, änderte sich die Haltung der Wertschätzung in keiner Weise. So wurde die Entscheidung der Jährlichen Konferenz in Tschechien, die weltweite EMK zu verlassen und eine autonome Kirche zu gründen, zwar zutiefst bedauert. Gleichzeitig war aber auch die Achtung vor dieser Entscheidung zu spüren – und die Dankbarkeit, dass die EMK in Tschechien bereit ist, den in der Kirchenordnung vorgesehenen, langen Weg zu gehen. Die Bekräftigung, die Türen seien für eine Rückkehr offen, waren auf diesem Hintergrund keine leeren Worte, sondern Ausdruck einer Herzenshaltung.
 
Auch ein ausführliches Gespräch über die Zukunft der EMK in Europa war von Ehrlichkeit und Respekt geprägt. Anlass dafür war einerseits die wachsende Verbundenheit zwischen den europäischen Zentralkonferenzen, andererseits aber auch die Realität einer kleiner werdenden Kirche. Der Kernfrage, welche Beziehungen und Strukturen es braucht, um als Schalom-Trägerinnen und -Träger in einer sich rasant verändernden Welt Gottes Mission zu leben, wird sich die EMK in Europa in den kommenden Jahren intensiv stellen müssen. Im Frühjahr 2026 wird auf diesem Hintergrund erstmals ein gemeinsames Treffen aller europäischen Exekutiv-Behörden der EMK stattfinden.
 
Wichtige Themen, denen sich die EMK in Mittel- und Südeuropa stellen muss, benannte auch Bischof Stefan Zürcher in seinem «Wort an die Zentralkonferenz»:
 
• Wie gelingt es, Menschen, die in der Kirche gross wurden, so an ihr teilhaben zu lassen, dass sie auch ihre Kirche wird? Und wie kann es gelingen, mit nicht kirchlich sozialisierten Menschen Kirche zu bauen?
• Wie geht die Kirche mit dem zunehmenden Mangel an Pfarrpersonen um – und welche Leitungspersonen braucht es heute überhaupt?
• Wie kann die Leitungsverantwortung auf mehr Schultern verteilt werden?
• Wie können knapper werdende Ressourcen am nachhaltigsten eingesetzt werden?
• Wie kann Vielfalt zum Segen werden – und was bedeutet es, im Kontext eines wachsenden Nationalismus in Europa an Gottes Mission teilzuhaben?
 
Bischof Stefan Zürcher lieferte nicht pfannenfertige Antworten auf diese Fragen. Aber er betonte, was ihm für den Weg in die Zukunft wichtig ist:
 
• die Kirche als zerbrechliches Gefäss wertzuschätzen und hoffnungsvoll zu handeln
• die Verbundenheit über alle Grenzen hinweg zu stärken
• mit vielfältigen Formen von Kirche zu experimentieren
• Kinder und Jugendliche erfahren zu lassen, dass sie schon heute Teil der Kirche sind
• (junge) Menschen in ihrer Entwicklung zu hingebungsvollen Leitenden zu fördern
• ein Engagement für das Wohlergehen aller Geschöpfe
• eine Kirche als Ort, an dem die Würde aller geschützt wird und Grenzverletzungen aller Art keinen Platz haben
• ein nachhaltiger Umgang mit den vorhandenen Ressourcen – auch im Blick auf die Erhaltung der Schöpfung als Lebensgrundlage für alle Geschöpfe
 
Die Tagung der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa war kein Ort, an dem die Kirche auf den Kopf gestellt wurde. Aber sie war ein Ort, an dem Vertrauen gestärkt, Beziehungen neu geknüpft und vertieft sowie das Bewusstsein für ein tragfähiges Miteinander geschärft wurden. Eine gute Grundlage, als Schalom-Trägerinnen und -Träger zuversichtlich in die jeweiligen Gemeinden zurückzukehren und einander über alle Grenzen hinweg darin zu unterstützen, den Schalom Gottes weiterzugeben und ein Stück Welt hoffnungsvoll zu verändern.
 
Urs Schweizer, Assistent des Bischofs Stefan Zürcher