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Die Situation ist immer noch dieselbe - aber sie hat sich verändert!

Was auf den ersten Blick eine widersprüchliche Aussage zu sein scheint, beschreibt bei näherer Betrachtung eine traurige Realität. Das berichtete der für die EMK in der Ukraine zuständige Bischof Christian Alsted während des letzten Online-Treffens der mittel- und südeuropäischen Koordinatorinnen für die Arbeit mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Und während nicht nur Jana Křížová, Pfarrerin und Koordinatorin in Tschechien, sagte, dass "wir alle auf das Ende des Krieges warten und dafür beten", geht der schreckliche Krieg weiter. In dieser Hinsicht ist die Situation leider immer noch dieselbe. Aber anders als in der Vergangenheit, als immer wieder ein baldiges Ende des Krieges angekündigt worden war (im Sommer 2022, vor Weihnachten 2022, Anfang 2023) und die Menschen immer gehofft hatten, dass diese Vorhersage eintreffen würde, gibt die Regierung solche Erklärungen nicht mehr ab. Für viele ist diese Veränderung als ein Zeichen zu verstehen, dass man sich auf einen noch lange andauernden Krieg einstellen muss. Für diejenigen, die im Osten und Süden der Ukraine näher an der Grenze leben, ist das furchtbar belastend. Aber es ist auch alles andere als einfach für diejenigen, die Tag und Nacht arbeiten und versuchen, den Bedürftigen zu helfen – und schon jetzt sehr müde sind. Auch sie müssen sich darauf vorbereiten, ihre Aktivitäten fortzusetzen, um den Schmerz zu lindern, die Zerbrochenen zu trösten, inmitten von Angst, Trauer und Zerstörung Zeichen der Liebe und Hoffnung zu setzen.
 
Eine weitere Veränderung zum Schlechteren: Die Zuflucht suchenden Menschen, die in den Unterkünften aufgenommen werden, sind viel stärker traumatisiert als früher. In einer frühen Phase des Krieges flohen die Menschen, weil sie wussten, was auf sie zukommen würde. Diejenigen, die jetzt ankommen, haben alle viel Schlimmes erlebt. Bischof Christian Alsted betonte: "Die Situation übersteigt bei weitem das, was ein Land bewältigen kann." Vor diesem Hintergrund sei es erstaunlich, was die Methodistinnen und Methodisten in der Ukraine leisteten. "Ich habe höchsten Respekt und sogar Bewunderung für sie", sagte Bischof Alsted. Besonders im Westen des Landes tun sie, was sie können, um eine ganz normale Kirche zu sein – eine Kirche für die anderen. Sie erreichen viele Binnenvertriebene und arbeiten mit Kindern und Jugendlichen – einschliesslich Ferienlagern, die trotz der schwierigen Rahmenbedingungen organisiert werden. Ein Problem ist jedoch die Tatsache, dass die EMK in Uzhgorod die aktuell genutzte Unterkunft für Binnenvertriebene vermutlich verlieren wird. Die Suche nach einer Alternative gestaltet sich schwierig, und es ist sehr wahrscheinlich, dass eine künftige Unterkunft nur 40 bis 50 Personen aufnehmen wird (die Kapazität der derzeitigen Unterkunft beträgt 70 Personen). Deshalb sind die Verantwortlichen der methodistischen Arbeit in der Ukraine auch dabei, ein ehemaliges Hotel im Westen des Landes zu kaufen. Diese Einrichtung soll dann zum Teil als Unterkunft und zum Teil als Rehabilitationszentrum für Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) genutzt werden.

Auf Überraschungen vorbereitet sein

In Ländern, die direkt an die Ukraine angrenzen oder "in der zweiten Reihe" liegen, hat sich die allgemeine Situation ebenfalls verändert. Ob in Tschechien, Rumänien, Polen oder Skandinavien – die Menschen aus der Ukraine, die im Ausland Zuflucht gesucht haben, werden vom Staat gut versorgt und haben nicht selten einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung gefunden. In vielen Fällen besuchen ihre Kinder eine öffentliche Schule des jeweiligen Landes. Andererseits gibt es aber immer noch einige, die in kirchlichen Einrichtungen untergebracht sind (z. B. in Tschechien, Ungarn, Polen, Lettland oder Litauen), und es wurde viel Arbeit geleistet, um für den Fall vorbereitet zu sein, dass die Zahl der Ukrainerinnen und Ukrainer, die ihre Heimat verlassen, wieder ansteigen sollte. Weitere laufende Aktivitäten sind zum Beispiel Sprachkurse (vor allem in Polen) und regelmässige humanitäre Transporte aus Rumänien, Polen und Tschechien in die Ukraine.
Boglárka Khaled, Koordinatorin in Ungarn, weist jedoch auf eine zunehmend wichtige Realität hin. "Die EMK in Ungarn bietet nicht nur materielle Hilfe, sondern auch geistliche Unterstützung – Menschen aus der Ukraine nehmen regelmässig an unseren Gottesdiensten teil, und ein Baby, das Ende Juli 2023 im Dorcas-Flüchtlingslager geboren wurde, wurde während eines Gottesdienstes in der EMK-Gemeinde Debrecen gesegnet", sagte sie. Und das ist auch in anderen Ländern der Fall. Laut Kirsten Hastrup, Assistentin von Bischof Christian Alsted für das Bischofsgebiet von Nordeuropa/Baltikum, organisierte die EMK in Finnland ein Sommerlager speziell für ukrainische Kinder. Szarlota Kaminska, Koordinatorin in Polen, berichtete von einem ähnlichen Sommerlager für ukrainische Mütter und Kinder, das im Nordosten Polens stattfand und von ukrainischen Freiwilligen geleitet wurde. In vielen Fällen war und ist es jedoch nicht das Ziel, spezielle Programme für ukrainische Menschen vorzubereiten, sondern sie in die regulären kirchlichen Aktivitäten einzubeziehen – auch in regionale oder sogar nationale Anlässe wie die "Tage der Erneuerung" in Polen.
 
Auf die Frage, ob im Hinblick auf den nahenden Winter besondere Vorkehrungen getroffen würden, sei es als Reaktion auf sehr kalte Temperaturen oder auf erneute Angriffe auf die Strom- und Wasserversorgung in der Ukraine, erklärte Sarah Putman, Koordinatorin in Rumänien: "Wir werden mit einer Situation umgehen, wenn sie eintritt." Und die Verantwortlichen in den verschiedenen Ländern haben mehr als einmal bewiesen, dass eine ihrer Stärken tatsächlich darin besteht, auf das Unerwartete vorbereitet zu sein:
 
•   Die EMK in Rumänien hat ein sich selbst erweiterndes Projekt gestartet, um den psychologischen Bedürfnissen aus der Ukraine geflüchteter Menschen gerecht zu werden. Ukrainische psychologische Fachpersonen aus sechs oder sieben rumänischen Städten und einige andere Personen, die direkt mit Menschen aus der Ukraine arbeiten (insgesamt eine Gruppe von 16), wurden in Traumabehandlung, Gruppentherapie und anderen Fähigkeiten zur Problemlösung geschult. Das Ziel ist, dass die Teilnehmer in ihre Städte zurückkehren und Selbsthilfegruppen gründen. Die Mitglieder dieser Gruppen sollen dann in die Lage versetzt werden, ihrerseits auch wieder neue Selbsthilfegruppen zu gründen.
•   Eine weitere Errungenschaft ist die Entwicklung einer App zur Kommunikation von Bedürfnissen.
•   Im Oktober 2023 wird das Projekt "Gesichter des Mutes" durchgeführt. 20 Frauen aus der Ukraine werden ihre Geschichten erzählen, und ihre Erfahrungen/Emotionen werden mit in ihre Gesichter gemalten Bildern ausgedrückt. Es soll ein Projekt sein, das mentale und emotionale Unterstützung bietet und die Erfahrungen der Vergangenheit überwinden hilft.
•   In Ungarn steht die EMK in ständigem Kontakt mit der Leitung des Dorcas-Flüchtlingszentrums nahe von Debrecen und versorgt das Zentrum auch regelmässig mit Brot. Als kürzlich ein ernsthaftes Problem bei der Versorgung des Lagers mit sauberem Wasser entdeckt wurde, war es die EMK, die es (dank eines Zuschusses der EmK-Weltmission in Deutschland) ermöglichte, das gesamte Lager für zwei Tage an einen anderen Ort zu verlegen, damit das Problem mit der Wasserversorgung gelöst werden konnte.
•   In Tschechien ermöglicht die derzeitige Situation eine Verlagerung des Schwerpunkts auf die Arbeit in der Ukraine und die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Menschen, die spezifische Projekte aufgebaut haben. Einer der Schwerpunkte ist die Traumaheilung (à Organisation von Freizeiten, bei denen die Menschen Hilfe von Expertinnen und Experten erhaltenà es besteht ein grosser Bedarf an solcher Hilfe), der andere Schwerpunkt ist ein kleines Krankenhaus in Iwano-Frankiwsk. Transporte mit medizinischer Ausrüstung, Erste-Hilfe-Notfallpaketen und anderen medizinischen Verbrauchsgütern werden aus eigenen Mitteln finanziert – für die Gehälter des Krankenhauspersonals gibt es eine Kooperation mit Connexio in der Schweiz.
•   "Wir sind in einer Situation, in der wir ab und zu helfen können. Es gäbe mehr Möglichkeiten, aber um mehr helfen zu können, bräuchten wir mehr Mittel." Mit diesen Worten wies Jana Křížová aus Tschechien auf zwei wichtige Realitäten hin. Es gibt nach wie vor ein erstaunliches Engagement der Menschen der EMK – in der Ukraine selbst, aber auch in den Ländern, die direkt oder indirekt an die Ukraine angrenzen. Und: Es gibt eine sehr wertvolle Solidarität in Europa und den USA, die diese Bemühungen finanziell möglich macht. Und dies wird hoffentlich nicht aufhören. Denn, wie Bischof Alsted sagte: "Selbst wenn der Krieg aufhört, wird er noch Jahrzehnte andauern. Der Bedarf für den Wiederaufbau des Landes und die Heilung der Menschen ist und wird enorm sein." Ihm zufolge ist es daher auch dringend notwendig, ukrainische Führungskräfte zu finden und auszubilden, die in Zukunft den strategischen Plan umsetzen können, der sowohl diakonische Aktivitäten als auch die Gründung neuer Kirchen umfasst. Für Bischof Alsted geht es dabei um mehr als menschliche Anstrengungen. Es geht darum, auch in diesen schwierigen Zeiten auf Gott zu vertrauen und "das Beste zu tun, was wir können, um Gott dort zu folgen, wo er bereits wirkt und unter den Menschen wirken wird."
 
Zusammengestellt von Urs Schweizer, Assistent des Bischofs Stefan Zürcher
Foto: Ukrainische Kinder und Teens nehmen an Aktivitäten teil, die von der EMK in Cluj-Napoca (Rumänien) ermöglicht werden