In diesen Tagen wurde ein Jubiläum gefeiert, das es ohne so engagierte wie mutige Frauen nicht gäbe.
Bitola, die heute drittgrösste Stadt von Nord-Mazedonien, liegt ganz im Süden des Landes. Schon vor 150 Jahren war der Lage dieser Stadt und ihrer Anbindung an Thessaloniki eine grosse strategische Bedeutung zugemessen worden – auch von kirchlichen Behörden, die sich mit dem Gedanken trugen, in der damals so genannten Europäischen Türkei eine Präsenz aufzubauen. Und so war es eben Bitola, das zum damaligen Zeitpunkt noch den Namen Monastir trug, wo am 17. Oktober 1873 die erste Missionsstation des American Board of Commissioners for Foreign Missions aufgebaut wurde. Und da diese Behörde 1922 ihre Arbeit im ganzen Land der Methodistenkirche übertrug, kann das Datum im Oktober 1873 durchaus als Geburtsstunde der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in Nord-Mazedonien betrachtet werden.
Bald weitete sich das Werk aus, und weitere Missionsstationen wurden in Resen, Prilep, Voden, Kavadarci, Veles, Skopje, Priština, Radoviš, Rakliš, Strumica, Murtino, Monospitovo und später auch Kolešino hinzugefügt. Ein Blick auf die heute 10 Gemeinden der EMK in Nord-Mazedonien macht deutlich, dass mehr als deren Hälfte ihre Wurzeln in diesen missionarischen Anfängen haben.
Die ersten Missionare in Monastir hatten erkannt, dass der Bevölkerung vor allem durch Bildung geholfen werden kann. Deshalb eröffneten sie Schulen und ein Waisenhaus. Dass zuerst eine Mädchen- und erst später auch eine Knabenschule gegründet wurde, war für die damalige Zeit und den kulturellen Kontext aussergewöhnlich. Aber die Verantwortlichen ahnten: Wenn einem Mädchen oder einer jungen Frau Bildung ermöglicht wird, hat dies über die einzelne Person hinaus segensreiche Auswirkungen auf eine ganze Generation.
Und es waren denn vor allem auch Frauen, welche diese methodistischen Anfänge in Nord-Mazedonien entscheidend prägten. Zunächst die Ehefrauen der nach Monastir entsandten US-amerikanischen Missionare, später Missionarinnen aus den USA, aus Deutschland und aus der Schweiz. Schliesslich waren es aber immer mehr auch einheimische Frauen, die, allen Schwierigkeiten zum Trotz, als «Bibelfrauen» entlegene Dörfer besuchten und sich auch von offenen Feindseligkeiten nicht davon abhalten liessen, das Evangelium in Worten und Taten weiterzugeben.
Diese Verbindung von Glaube und Tat zeigte sich auch in Monastir auf vielfältige Weise. Neben der Bildungsmöglichkeit, welche die immer grösser werdende Mädchenschule bot, kümmerten sich die Frauen in Monastir auch um die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Und als Unruhen und Kriege unsägliches Leid verursachten, waren es die Hausmütter im Internat und im Waisenhaus, die geflüchtete Menschen unabhängig von derer Nationalität aufnahmen – und die die Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln versorgten.
Eine dieser Missionarinnen war die Schweizer Methodistin Martha Gisler (1872-1955). Sie war Musiklehrerin an der methodistischen Schule in Lovetsch (im heutigen Bulgarien). Dort lernte sie William Paine Clarke kennen, einen Sohn eines Missionars-Ehepaars, das zur ersten nach Bulgarien entsandten Missionars-Generation gehörte. Nachdem die beiden 1900 in Basel geheiratet hatten, dienten sie während 12 Jahren (1904-1916) in Monastir. Martha Gisler erteilte auch in Monastir Musikunterricht, war daneben aber vor allem für Sozialhilfe zuständig. Sie versorgte Hungernde mit Lebensmitteln und half vor allem Müttern mit Babys und Kleinkindern. Sie praktizierte die «industrial relief work», eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. Dafür besorgte sie für Frauen Material, aus denen diese Kleidung oder anderes für den Eigenbedarf und zum Verkauf herstellen konnten. Als ihre Vorräte im Krieg 1916 zu Ende gingen, wurde sie von der bulgarischen Königin Eleonora, die die Missionare sehr unterstützte, mit Material versorgt. Martha Gisler war einige Jahre Hausmutter für die Waisen, die im 1903 auf dem Missionsgelände errichteten «Essery Memorial»-Waisenhauses lebten. Leider wurde Familie Gisler Clarke im Dezember 1916 von den neuen Machthabern ausgewiesen und konnte ihre segensreiche Tätigkeit nicht fortsetzen.
Die mutigen Frauen halfen unzähligen Menschen und trugen durch ihre Pionierarbeit massgeblich zur Entstehung und Ausbreitung der EMK in Nord-Mazedonien bei. Und es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass das Miss-Stone-Zentrum in Strumica, das seit über 20 Jahren im Geist der Pionierinnen mehr als 200 Menschen Überlebenshilfe und Hoffnung schenkt, den Namen einer der Missionarinnen trägt.
Das 150-Jahre-Jubiläum zu feiern, heisst, all dieser engagierten und mutigen Frauen zu gedenken. Denn ohne sie wäre die EMK in Nord-Mazedonien eine andere. Und vielleicht gäbe es sie schlicht und einfach auch gar nicht.
Autor: Urs Schweizer, Zürich – nach einem Bericht von Christina Cekov, Strumica
Foto: Schule und Internat in Bitola/Monastir (oben) – Arbeit des Miss Stone-Zentrums in Strumica (unten rechts)