In diesen Tagen geht das Kirchenjahr zu Ende, und in vielen Gemeinden wird der Personen gedacht, die in den vergangenen Monaten verstorben sind. Eine von ihnen ist die mazedonische Pastorin Zora Vuckova, die in ihrem Dienst unglaubliche Dinge erlebt hatte, und die es wert ist, nicht vergessen zu werden.
Zora wurde am 12. Februar 1936 als viertes und jüngstes Kind der Familie Vuckov in Murtino (damals noch Teil des Königreichs Jugoslawien) geboren. Weil ihre Eltern aktive Mitglieder der dortigen methodistischen Gemeinde waren, wuchs Zora in der Gemeinde auf und fand dort schon als Jugendliche zum Glauben. Als junge Frau hörte sie den Ruf ins Predigtamt und wurde mit 22 Jahren als Gemeindeschwester (vergleichbar mit dem heutigen Amt der Lokalpastorin) in die EMK aufgenommen. Ihre erste Dienststelle umfasste die damals sehr grossen Gemeinden Murtino und Monospitovo.
Verfolgte Kirche
Zora Vuckova war eine unerschrockene Frau und hatte einen beeindruckend festen Glauben. Dies zeigte sich gerade auch während des kommunistischen Staatsterrors und der Kirchenverfolgung der 1950er-Jahre, einer für alle Kirchen im ehemaligen Jugoslawien sehr schweren Zeit. Pastoren kamen damals ins Gefängnis, und Zora Vuckovas Kollege in Murtino, Asen Palankov, verschwand 1959 in Novi Sad anlässlich eines Bibelkurses für kirchliche Mitarbeiter. Er wurde mutmasslich von der Geheimpolizei ermordet, und bis heute weiss man nicht wirklich, was genau mit ihm geschehen ist. Nach Asen Palankovs Verschwinden war Zora Vuckova für beide Gemeinden allein verantwortlich – und sie wurde noch monatelang von der Geheimpolizei verhört.
Unerschrockenheit und Glaubensmut
Einmal, kurz vor dem Beginn des sonntäglichen Gottesdienstes, fuhr ein Jeep der Geheimpolizei vor der Kirche in Murtino vor. Die Insassen wollten Zora Vuckova zum Verhör nach Skopje mitnehmen. Diese betrat mutig die Kirche, während vier Männer die Kanzel umstellten, um die Gemeindeschwester daran zu hindern, hinaufzusteigen. Dann geschah das völlig Unerwartete: Zora Vuckova ging auf die vier Männer zu und begrüsste alle mit Handschlag. Der Überraschungseffekt ermöglichte es ihr, auf die Kanzel zu steigen. Von dort aus bat sie die «Gäste», sich zu setzen, da sie mit dem Gottesdienst anfangen wolle. Sie werde nach dem Gottesdienst mit ihnen sprechen. Aber es sei wirklich nicht fair gegenüber den 300 anwesenden Personen, wenn sie diese nun einfach warten lasse. Die Leute von der Geheimpolizei setzten sich tatsächlich hin. Der Chauffeur draussen im Jeep hupte jedoch ununterbrochen, worauf die «Gäste» schliesslich die Kirche verliessen und wegfuhren. «Gott hat mich einmal mehr bewahrt.» Davon war sie damals überzeugt, und auch Jahrzehnte später waren ihre Erinnerungen an die schwierige Zeit von dieser dankbaren Überzeugung geprägt. Die Verhöre und Schikanen gingen allerdings auch danach noch weiter. Monatelang wurde montags ein Schloss an der Kirchentür in Murtino angebracht. Als Zora Vuckova jeweils am Sonntagmorgen bei der Kirche ankam, brach sie das Schloss kurzerhand auf, danach läutete sie die Kirchenglocke und leitete den Gottesdienst. So ging es Woche für Woche, und jeden Montag wurde ein neues Schloss an der Kirchentür angebracht und die unerschrockene Frau wurde zum Verhör gerufen.
Vielfältige Wirkungsorte
1960 wurde Zora Vuckova nach Radoviš und Rakliš versetzt. Dort war die Situation für Kirchen besonders schwierig, und keiner der männlichen Kollegen wollte dorthin versetzt werden. Zora Vuckova hingegen hatte keine Furcht, weil sie sich von Gott auch dort berufen und beschützt wusste. Ihre erste Predigt hielt sie in der alten Kirche in Rakliš, die 1936 gebaut worden war. Auf ihre Initiative hin wurde 1974 die jetzige Kirche gebaut. Der Bau und ihre gesamte Arbeit wurde von ihrer Freundin, Marija Temelkova, sehr unterstützt, mit der sie ab 1960 bis zu deren Tod 2016 zusammen wohnte.
1987 bis 1990 tat Zora Vuckova Dienst in Skopje und kam danach wieder nach Radoviš und Rakliš zurück. Bis 2014 wohnte sie in der Kirche in Radoviš, die dann aus Altersgründen abgerissen wurde. Ihr Wunsch, dort eine neue Kirche zu bauen, erfüllte sich zu ihren Lebzeiten nicht.
Die letzten sieben Jahre ihres irdischen Lebens, das nach 87 Jahren am 19. Mai 2023 zu Ende ging, verbrachte sie in der kircheneigenen Wohnung in Rakliš, wo sie vollumfänglich durch das Miss-Stone-Zentrum versorgt und betreut wurde.
Wegbereiterin
Zora Vuckova war eine sehr mutige Frau und verlor ihren starken Glauben auch in schweren Zeiten nicht. Besonders Kinder lagen ihr am Herzen und die Kinder liebten ihre «Tante Zora» und kamen zahlreich in die Sonntagsschule. Auch als sie gesundheitlich sehr angeschlagen und auf Hilfe angewiesen war, liess sie es sich bis fast zuletzt nicht nehmen, den Gottesdienst zu besuchen und den Gesang der Gemeinde auf dem Harmonium zu begleiten.
Als starke Persönlichkeit blieb Zora Vuckova ihrer Berufung treu – auch wenn Frauen im Predigtamt anfänglich nicht ernst genommen wurden. Dass sich dies im Laufe der Zeit änderte, war und ist gerade auch dem Dienst von Zora Vuckova zuzuschreiben. Ihre natürliche Autorität, ihre Unerschrockenheit und ihr starkes Gottvertrauen halfen ihr nicht nur durch die schwierigsten Situationen in ihrem Leben hindurch, sondern liessen sie auch in vielerlei Hinsicht zum Vorbild werden. Zu einem Vorbild, das es wert ist, nicht vergessen zu werden.
Quelle: Christina Cekov, Strumica (Nord-Mazedonien)