33 Waisenkinder aus einem Heim in Kiew sind inzwischen gut in einer methodistischen Einrichtung in Sibiu (Rumänien) angekommen. Ihre Reise wirft ein beklemmendes Licht darauf, wie gefährdet die Flüchtlinge sind.
Ende der vergangenen Woche waren die ersten Waisenkinder aus einem Heim in Kiew an der Grenze von Rumänien angekommen. Die EMK in Rumänien hatte Geld für ihre Flucht zur Verfügung gestellt. Voller Freude berichteten die Verantwortlichen auf Facebook: «33 Waisenkinder, die aus Kiew geflohen sind, haben heute in Begleitung von drei Betreuern die Grenze überquert! In Sibiu werden sie von unseren Kollegen Cristi und Thomas, den Koordinatoren von Phoneo Sibiu, empfangen und in Sicherheit gebracht.»
Was sie nicht wussten: Die Reise der Kinder würde eine dramatische Wende nehmen. Denn sie waren alles andere als in Sicherheit. Was sich in den 48 Stunden nach dieser Nachricht zugetragen hat, berichtet der methodistische Pfarrer Cristian Istrate in einem Facebook-Beitrag vom 7. März 2022.
Die Kinder waren von einem «Guide» bis zur Grenze begleitet worden. Der war nach der langen Reise erschöpft und beauftragte darum dort ein zufällig ausgewähltes Transportunternehmen damit, die Kinder und ihre Begleitpersonen nach Sibiu in die methodistische Einrichtung zu bringen. Das war jedoch eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen. «Dieses Fahrzeug wurde von einem Fahrer gefahren, der bösartige Absichten mit den Kindern hegte», schreibt Pfarrer Istrate. Der Fahrer habe den Begleitpersonen der Kinder Lügengeschichten über die methodistische Einrichtung erzählt und ihnen damit vorgegaukelt, dass die Kinder dort nicht in Sicherheit seien. Statt die Kinder in Sibiu aussteigen zu lassen, brachte er sie daher wieder zurück zur ukrainischen Grenze.
Die Verantwortlichen in Sibiu wurden misstrauisch, als die Kinder nicht eintrafen. Sie alarmierten die Behörden und erfuhren, dass die Kinder von einer unbekannten Person nach Italien gebracht werden sollten. «Wir waren perplex und besorgt», schreibt Pfarrer Istrate, «denn Italien ist ein bekannter Ort für Menschenhandel.» Sie wurden sofort aktiv. «Wir alarmierten das ukrainische Konsulat in Rumänien, das die Ausreise des Busses aus dem Land verbot!»
So kamen die Kinder schlussendlich doch noch an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort an. Dort wurden die Kinder mit einem Umschlag begrüsst, auf dem stand: «Du bist ein Superheld». Da die Mitarbeitenden kein Ukrainisch sprechen, organisierten die Verantwortlichen Übersetzerinnen und Übersetzer. «Die Kinder wollten von unserem Team in den Arm genommen werden», schildert Istrate die Szenen bei der Ankunft. «Einige standen unter Schock und weinten. Doch sie wussten, dass sie den Bomben entkommen waren. Jetzt waren sie in Sicherheit.»
Auch der Leiterin des ukrainischen Waisenhauses, die im Bus mitreiste, war inzwischen klar geworden, dass sie in die Irre geführt worden war. «Sie erhielt von uns emotionale Unterstützung. Wir werden eine ukrainisch-sprachigePsychologin mitbringen, die ihr helfen soll, das Trauma der letzten Wochen und insbesondere dieses Erlebnisses zu überwinden», schreibt Pfarrer Istrate.
17 weitere Kinder fanden im ersten Bus keinen Platz mehr. Sie sind noch mit Betreuungspersonen in Kiew. «Für sie haben wir eine Zahlung geleistet, um die Kosten zu unterstützen, damit sie sicher ankommen können», schreiben die Verantwortlichen in ihrem ersten Post. «Keine Kosten sind zu hoch, um diese Leben zu retten!» Allerdings hat sich inzwischen die militärische Lage rund um Kiew drastisch zugespitzt
In den 48 Stunden voller Ungewissheit hätten sie nicht gut geschlafen, gesteht Istrate in seiner Schilderung. Dankbar ist er für die Gruppe von Menschen, mit der zusammen er diese gefährliche Situation bewältigen konnte. «An meiner Seite war ein Team von ‹Superhelden›, das aus den Beziehungen entstand, die wir aufgebaut haben, um diesen Kindern zu helfen», schreibt er. «Alles wurde durch den Einsatz eines Teams möglich gemacht. Gott ist gross und wir geben ihm alle Ehre für das glückliche Ende dieser Geschichte!»
Quelle: Cristian Istrate, Sibiu / Sigmar Friedrich, Zürich