Die Rahmenbedingungen für die Hilfe, die Methodistinnen und Methodisten in den Ländern leisten, die direkt oder indirekt an die Ukraine angrenzen, verändern sich. Fachpersonen sensibilisieren ausserdem für mögliche psychologische Probleme, die künftig häufiger auftreten könnten.
Menschen der EMK in den Ländern, die direkt oder indirekt an die Ukraine grenzen, setzen ihre vielfältigen Aktivitäten fort, mit denen sie ukrainische Flüchtlinge unterstützen. Sie versuchen dabei, den je aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden.
Timotej Tagaj, Koordinator der methodistischen Hilfsaktionen für Flüchtlinge in der Slowakei, berichtet, dass die Arbeit mit und für Flüchtlinge an der slowakisch-ukrainischen Grenze inzwischen von grossen Organisationen wie dem Roten Kreuz und vom Staat selbst übernommen wurde. Dies habe dazu beigetragen, einige negative Aspekte zu beseitigen, etwa die Gefahr der Ausbeutung von Frauen mit kleinen Kindern. «Auf der anderen Seite wurden kleinere Organisationen wie die Methodistenkirche, die bereit waren und sind, dort zu helfen, weggedrängt.»
Im Bericht von Jessica Morris-Ivanova, Pfarrerin in Schumen, Bulgarien, wird deutlich, wie sich auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern. Sie erzählt von im ganzen Land auftretenden rassistischen Vorfällen. «Viele sind neidisch auf die Hilfe, die den Ukrainern zuteil wird.» Zudem seien einige Fälle aufgetreten, bei denen die Lebensmittelausgabe und die Grosszügigkeit der Menschen missbraucht worden seien.
In verschiedenen Ländern bieten Menschen der EMK Sprachkurse für die Flüchtlinge an. Teilweise gibt es dafür entsprechende neu erarbeitete Materialien in ukrainischer Sprache und der jeweiligen Landessprache. Wo die Gemeinden auch Ermutigung und Hoffnung in Form von christlicher Literatur weitergeben wollten, sei diese auf Russisch oft leichter zu organisieren. Und dies sei ein zunehmend heikler Punkt. «Die ukrainischen Flüchtlinge verstehen zwar Russisch», sagt Szarlota Kaminska, Koordinatorin der methodistischen Arbeit mit ukrainischen Flüchtlingen in Polen, «manchmal wollen sie diese Sprache jedoch nicht sprechen und ziehen es vor, nicht zu kommunizieren, statt es auf Russisch zu tun.»
Die Herausforderung in der Begleitung von Flüchtlingen wird nicht nur, aber auch Menschen der EMK in den kommenden Wochen und Monaten vor besondere Herausforderungen stellen. Je länger die Menschen in der Ukraine mit dem Krieg leben mussten und je mehr sie gesehen und erlebt haben, desto mehr psychologische Unterstützung wird nötig sein. Bei einem Treffen methodistischer Pastorinnen und Pastoren in Tschechien habe kürzlich ein Psychologe über posttraumatische Belastungsstörungen gesprochen, berichtet Jana Krizova, die dort die methodistische Arbeit koordiniert. Dieser Spezialist erklärte, dass nach der Überwindung des ersten Schocks bis zu 50 % der Flüchtlinge nach sechs Monaten schwerwiegende Probleme haben könnten und daher Hilfe benötigen. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger wurden nachdrücklich aufgefordert, geduldig mit herausforderndem Verhalten umzugehen und solche posttraumatischen Belastungsstörungen ohne entsprechenden Ausbildungshintergrund nicht selbst zu behandeln, sondern betroffene Menschen an Fachpersonen zu vermitteln.
Weiterhin sind aus verschiedenen Ländern immer wieder Personen unterwegs und bringen Hilfsgüter in die Ukraine. So brachten etwa Methodisten aus Prag eine weitere Lieferung an die ungarisch-ukrainische Grenze, die rund 900 km von Prag entfernt ist Diese Hilfsgüter ergänzten dort einer Lieferung in die Gegend der ukrainischen Stadt Dnipro, die weitere 1200 km entfernt liegt. In der Ukraine wurden die Hilfsgüter in kleinen Autos auf unbefestigten Strassen bei Nacht und ohne Licht transportiert, damit niemand auf die Fahrer schiessen konnte.
Der Krieg dauert an. Die Nachrichten von den mutmasslichen Kriegsverbrechen der russischen Armee an der Zivilbevölkerung in Butscha und an anderen Orten in der Ukraine schockieren. Besonders die Menschen in der Ukraine. «Ich war völlig niedergeschlagen und nicht in der Lage zu schreiben», erklärt der methodistische Pfarrer Oleg Starodubets aus Uschhorod sein Schweigen auf Facebook. «Aber wir werden unseren Dienst für die Flüchtlinge und die Menschen in Not fortsetzen», bekräftigt er.
Aus der weiteren Umgebung von Kyiv stammt auch Julia, eine der ersten Frauen, die in der methodistischen Einrichtung in Horni Pocernice in Prag (Tschechien) aufgenommen worden war. Vor einem Monat war die junge Frau mit ihrer einjährigen Tochter und ihrem achtjährigen Sohn angekommen, begleitet von einigen weiteren Familienangehörigen. Ihr Mann war in der Ukraine geblieben, um die Hauptstadt des Landes zu verteidigen. Julia, die zuhause einen Friseur-Salon betrieben und zudem Hand- und Fusspflege angeboten hatte, kann nicht untätig sein. Und so war es keine Überraschung, dass sie schon nach wenigen Tagen begann, die Haare von Bekannten und Freunden ihrer Gastgeber zu schneiden. Und vor einigen Tagen bat sie um ein Stück Land, um zusammen mit anderen Frauen der Gruppe Gemüse und Kräuter anpflanzen zu können.
Möge nicht nur die Saat dieses Beetes wachsen und gedeihen, sondern auch die Saat des Trostes, der Ermutigung, der Hoffnung und des Lebens, die Methodistinnen und Methodisten in diesen schwierigen Tagen in die Herzen von Menschen aus der Ukraine säen.
Autor: Sigmar Friedrich, Zürich