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Weniger Flüchtlinge – zunehmende Not

Die Zahl der Flüchtlinge geht zurück – auch in der Ukraine selbst. Doch vor allem dort wird zugleich die Versorgungslage immer prekärer. Hilfstransporte haben darum in der Arbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche an Bedeutung gewonnen.
 
Rund 6.7 Millionen Menschen sind gemäss UNHCR aus der Ukrainegeflohen. Die Zahl der Flüchtlinge ist zwar immer noch hoch – knapp 1.2 Millionen waren es gemäss UNHCR im Mai. Zugleich ist die Zahl der Personen, die zurückkehren stark gestiegen. Das UNHCR rechnet mit knapp 2.2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die in ihr Land zurückgekehrt sind. Genau Zahlen können die methodistischen Verantwortlichen für die Arbeit mit Flüchtlingen nicht angeben. Doch berichtet etwa Luca Bírtalan, Koordinatorin der methodistischen Arbeit mit Flüchtlingen in Ungarn, dass die Zahl der von der EMK aufgenommenen Flüchtlinge deutlich zurückgegangen sei. Auch innerhalb der Ukraine selbst berichten die Verantwortlichen von einer ähnlichen Entwicklung. Die Zahl der Binnenvertriebenen im westlichen Teil der Ukraine nimmt ab. Die Menschen kehren entweder in die Orte zurück, aus denen sie gekommen sind, oder sie versuchen, in Westeuropa Zuflucht zu finden.
 
Dennoch verschlechtert sich die Versorgungslage im Westen der Ukraine. Der Bedarf an Lebensmitteln, medizinischen Artikeln (etwa zur Wundbehandlung), Schuhen oder Westen steigt. Viele Dinge sind im Land nicht mehr zu bekommen. Für die Hilfsaktionen der EMK in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei oder Rumänien hat darum die Zusammenstellung und Entsendung von humanitären Hilfstransporten an Bedeutung gewonnen. Dabei behalten sie auch Bevölkerungsgruppen im Blick, die sonst eher wenig Beachtung finden. Ein Teil der von der russischsprachigen EMK-Gemeinde in Prag organisierten humanitären Hilfstransporte geht in die Region Sumy im nordöstlichen Teil der Ukraine. Ein Pastor und Seelsorger, der Gefängnisse in dieser Region betreut, kann so Gefangene mit Lebensmitteln, Medikamenten und Hygieneartikeln versorgen.
 
Laut Rares Calugar, dem methodistischen Superintendenten in Rumänien, könnte der Transport von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung in die Ukraine aus Rumänien allerdings bald schwieriger werden. Er erwähnt Restriktionen des rumänischen Staates für die Ausfuhr solcher Hilfsgüter. Die Verantwortlichen der EMK werden die Situation weiter prüfen, wollen sie doch auch weiterhin dringend benötigte medizinische Hilfsgüter an ein Krankenhaus in der Ukraine schicken.
 
In den direkt oder indirekt an die Ukraine angrenzenden Ländern machen sich deutlicher soziale Spannungen im Zusammenhang mit der grossen Zahl an Flüchtlingen bemerkbar. Karel Nyerges, Direktor des methodistischen Diakoniewerks in Tschechien, berichtet, dass in seinem Land Stimmen laut würden, die fragen: «Warum erhalten Menschen aus der Ukraine Hilfe – und wir nicht?» Auch die Zahl der Fake-News habe zugenommen.
 
In Jihlava, 130 Kilometer südöstlich der tschechischen Hauptstadt Prag, entsteht ein neues Zentrum für humanitäre Hilfe. Es wird nicht nur für Menschen aus der Ukraine sein, sondern auch für alleinerziehende Familien aus der Region Jihlava. Die methodistischen Verantwortlichen sehen darin auch einen Beitrag zum Abbau unnötiger sozialer Spannungen.
 
Eine wichtige Aufgabe bleibt, die Flüchtlinge zu begleiten, die für eine längere Zeit in den an die Ukraine grenzenden Ländern bleiben. So kümmert sich die EMK in Rumänien weiterhin um Waisenkinder aus der Ukraine, um ältere Menschen, die in einem orthodoxen Kloster in der Nähe von Cluj-Napoca untergebracht sind, und um andere «Gäste» aus der Ukraine, die an verschiedenen Orten leben.
 
Karel Nyerges ist dankbar, dass die Einrichtungen der EMK in Tschechien, in denen ukrainische Flüchtlinge langfristig untergebracht sind, reibungslos funktionieren. «Die Menschen hier sind sicher und haben alle Grundlagen für ein gutes Leben», sagt er. Doch das ändere nichts daran, dass sie nach wie vor «im Schlamassel stecken». Auch wenn sie einen Platz zum Leben hätten, würden sie ständig mit innerer Unsicherheit, Unruhe und Angst kämpfen. «Ich sehe diese kriegerische Krise als eine Gelegenheit, den Wert des menschlichen Lebens neu zu begreifen und denen zu helfen, die es gerade am meisten brauchen.»
 
Quelle: Sigmar Friedrich, Zürich / Urs Schweizer, Zürich