Logo

Wo Nächstenliebe den Wellen der Gegenwart trotzt

In der südostmazedonischen Stadt Strumica gibt es zwar weit und breit kein Meer. Trotzdem ist das Miss-Stone-Zentrum, eine sozialdiakonische Einrichtung mit enger Verbindung zur Evangelisch-methodistischen Kirche, mit grossen Wellen konfrontiert.
 
Wie in vielen anderen Gegenden Europas, so leiden auch die Menschen in Nord-Mazedonien in diesen Sommermonaten unter einer Hitzewelle. Abkühlung und Regen sind selten – ausser gelegentlichen Gewittern mit Starkregen, die immer wieder zu Überschwemmungen führen. Dies ist aber nichts Neues – «daran sind wir gewöhnt», wie Christina Cekov in einem Newsletter des Miss-Stone-Zentrum schreibt.
 
Ungewöhnlich ist aber die Teuerungswelle, die in den letzten Wochen und Monaten über die Menschen in diesem ohnehin mit grossen Herausforderungen konfrontierten Land hereingebrochen ist. Diese Teuerungswelle ist zwar kein regionales Problem, trifft aber gerade die Menschen, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Miss-Stone-Zentrums täglich in Kontakt sind, äusserst heftig. Wer schon vorher nahe an oder sogar unter der Armutsgrenze lebte und nun im Blick auf Grundnahrungsmittel und Energie mit starken Preiserhöhungen bis zu 250% konfrontiert ist, dem stellen sich existenzielle Fragen.
 
Als unmittelbare Folge der Tatsache, dass immer mehr Menschen Hilfe benötigen, wurde die Zahl der täglichen Essensempfängerinnen und -empfänger im Rahmen des Projekts «Essen auf Rädern» von 170 auf 180 erhöht. Die Kapazität der Küche im Miss-Stone-Zentrum war schon vorher überschritten, was ein tägliches Improvisieren erfordert, um die zusätzlichen Mahlzeiten kochen zu können. Trotz allem werden aber täglich auch noch 50 weitere Mahlzeiten für arme und bedürftige Menschen in Radovis gekocht. Die Not ist zu gross, als dass dieser Dienst eingestellt werden könnte.
 
Aber auch das Miss-Stone-Zentrum selber kämpft gegen die Wellen der Gegenwart an: Die massiven Preiserhöhungen waren weder budgetiert noch können sie an die Empfängerinnen und Empfänger der Mahlzeiten oder der anderen Dienstleistungen weitergegeben werden. Zudem kommt es vor allem im Projekt der Hauskrankenpflege immer wieder zu Personal-Abgängen – und es erfordert grösste Anstrengungen, geeignetes Pflegepersonal einstellen und ein voll einsatzfähiges Team aufbauen zu können. Gut ausgebildetes Pflegepersonal wird eben auch in Westeuropa benötigt und immer wieder gezielt abgeworben. Und weil dort deutlich höhere Gehälter bezahlt werden, haben die Menschen in Nord-Mazedonien allzu oft das Nachsehen.
 
Immerhin, so schreibt Christina Cekov, ist das Miss-Stone-Zentrum seit Beginn der Pandemie vor Corona-Erkrankungen verschont geblieben. Dies hat auch damit zu tun, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kontakt mit den bedürftigen und kranken Menschen eine grosse Vorsicht walten lassen und sich und andere verantwortungsbewusst schützen.
 
Ein weiterer Zweig der diakonischen Arbeit des Miss-Stone-Zentrums sind die Sommerschule für Roma-Kinder und die Beratungsstelle für Roma-Mädchen im rund 250km entfernten Ohrid. In der Sommerschule werden Kinder ab 5 Jahren, die aus Kostengründen keine Möglichkeit haben, den Kindergarten oder die Vorschule zu besuchen, während der langen Sommerferien auf die Regelschule vorbereitet oder im Blick auf diese gefördert. Zudem können sich Kinder ab neun Jahren dank der Zusammenarbeit mit dem Pfadfinder-Club in Ohrid zu Pfadfindern ausbilden lassen. Vor allem das Unterwegssein in der Natur mit Spielen und praktischem Unterricht begeistert die Roma-Kinder.
 
Für die älteren Mädchen der Beratungsstelle in Ohrid haben die Verantwortlichen gute Arbeitsstellen in Hotels gesucht. Sie können dort während der Sommerferien als Zimmermädchen oder Kellnerinnen ein wenig Geld verdienen, ohne Gefahr zu laufen, ausgenutzt zu werden. Die jüngeren Mädchen zwischen 11 und 15 Jahren haben die Möglichkeit, Bastelarbeiten über eine nationale Plattform von Unternehmerinnen zu verkaufen. Weit wichtiger ist aber die Tatsache, dass diese Unternehmerinnen einigen der Roma-Mädchen einen Ausbildungsplatz als Kosmetikerinnen in Aussicht gestellt und zudem versprochen haben, in der Beratungsstelle kostenlose Vorträge zu wichtigen Themen für die Mädchen und jungen Frauen zu halten.
 
Allen Wellen zum Trotz: Die Verantwortlichen der verschiedenen Arbeitszweige des Miss-Stone-Zentrums setzen mit grossem Einsatz Zeichen bedingungsloser Nächstenliebe und eröffnen dadurch Perspektiven der Hoffnung in stürmischen Zeiten.
 
Quelle: Christina Cekov, Strumica / Urs Schweizer, Zürich